Zu ARIA!

Der Komponist, Keyboarder und Akkordeonist Ben Jeger, der im Moods sein jüngstes Programm, «Aria!», vorstellte, fängt da an, wo einst das legendäre «Jerry Dental Kollekdoof» aufgehört hatte. Kaum vorstellbar, dass aus all den Ingredienzen, die hier verarbeitet werden, noch ein geniessbarer Cocktail gemixt werden kann. Aber voilà, das Rezept funktioniert, gerade weil Jeger weiss, was beim «shaken» zu wenig oder - vor allem - zu viel ist. Jegers noch druckfrisches Programm, das ebenso gut ans Theaterspektakel wie ins Moods gepasst hätte, verspricht vieles. Abgesehen von einem bisschen Feinschliff, den diese irrwitzige Revue noch ertragen würde, war dies Entertainment vom Feinsten. Diese Mischung aus Blödsinn und komischer Fallhöhe auf der einen Seite sowie musikalischer Tiefe und Handwerk auf der anderen Seite ist selten, denn meist gewinnt bei solchen Produktionen das eine über das andere oder andersherum. Hier war die Balance gegeben, dem Zuhörer wurden die Witze glücklicherweise nicht erklärt, er konnte die angefangenen Netze mental weiterspinnen und für sich gestalten.

Bei «Aria!» dreht sich alles um die charismatische, stimmgewaltige und technisch makellose Teresa Larraga Burgos - eine in Neuenburg ansässige spanische Mezzosopranistin. Sie sang sich mit grosser Verve durch das vielfältige Material, in dem sich Texte und Musik von Monteverdi, Nino Rota, Franz Schubert und Bizet bis hin zu Kurt Schwitters befinden. Ein grosser Teil davon, darunter Kurzopern über banalste Handlungen sowie zirzensische und jazzige Nummern, stammt von Ben Jeger selbst. Die humoristischen Effekte haben viel mit komischer Fallhöhe zu tun, aber auch mit den Assoziationen, die sich beim Zuhören immer wieder einstellen. Jegers Kompositionen könnten Musik zu einem imaginären Film oder einem imaginären Theaterstück sein; beim Zuhören wird die Phantasie stets gefordert und gefördert.

Mimisch und musikalisch hervoragend agierten auch die übrigen Ensemblemitglieder: der Drummer Fredy Flükiger mit dem Pokerface, die Euphoniumbläserin Shirley Anne Hofmann mit den rollenden Augen, der Tubist Michael Frey mit den Pausbacken. Und natürlich der Trompeter Peter Schärli, der für ein paar wunderbar inspirierte jazzige Momente sorgte. Das kontrastreiche Programm, so schien es uns, war schon viel zu bald vorbei. Diese Diskrepanz zwischen subjektiv empfundener und objektiv verflossner Zeit stellt sich sonst leider nicht so häufig ein!

NICK LIEBERMANN • NZZ, 6.4.04

Zu IDRAULICA!

Wenn ein Musikethnologe, eine ehemalige Tambour-Majorin, ein Philosoph, ein ausgebildeter Kirchenmusiker und ein Jazztrompeter zusammentreffen und alle zugleich begnadete Interpreten verschiedenster Instrumente sind, die ausserdem gern und lustvoll eigene Stücke komponieren, muss man das Kategorisieren lassen, auch wenn das Orkester Ben Jeger; gern in die Nähe von Nino Rota gerückt wird. Sie mischen musikalische Erinnerungen und zur Tradition gewordene Melodien auf und lassen längst verblichene Filmbilder auftauchen: fröhlich, verspielt und mit einer Spur Sehnsucht, zu hören auf ihrer neuen CD IDRAULICA!

ELISABETH TSCHIEMER • Weltwoche, 30.3.00

Alle fünf Ensemblemitglieder haben sich jahrelang mit Rotas Kompositionen beschäftigt, sie verdaut, und sie können deshalb so frei mit ihnen umspringen, wie dies Rota selbst mit amerikanischen Schlagern oder italienischer Volksmusik tat. So wird das »Amarcord«-Hauptthema unversehens als Tango interpretiert und lässt sich das mit hörbarem Vergnügen gefallen.

Orkester-Gründer Ben Jeger ist nicht nur ein hervorragender Organist, Akkordeon- und Glasharfenspieler, sondern auch ein Komponist, der Rota gleichsam weitergedacht hat. Zu den Höhepunkten der CD gehört sein »Gelsominas Variete«: Der Anfang ist ein Zirkusmarsch, dann ertönen hohe, geradezu gespenstische Töne, doch was man für ein Theremin oder eine singende Säge halten könnte, ist tatsächlich Gesang. Er stammt von der kanadischen Multiinstrumentalistin Shirley Hofmann, die unsereiner vom wunderbaren Neuenburger Ensemble Rayé kennt. Unterdessen ist das Ganze in einen Ska-Rhythmus gekippt, der vom Kadash-Schlagzeuger Fredi Flükiger und einer gewaltigen Basslinie des Tubaspielers Michael Frey angetrieben wird, und Jeger spielt auf der berüchtigten Farfisa-Orgel ein liebevoll ironisches Kitschsolo.

Gehts noch schöner? Ja. »Canto del pilon« ist ein Wäscherinnenlied aus Venezuela. Doch zunächst klingt es so helvetisch wie nur möglich, nämlich nach Talerschwingen. Das ist der tiefste Ton von Jegers Glasharfe, weitere Gläser beginnen zu schwingen - fast wie ein Zäuerli aus dem Appenzell. Zwei Töne werden immer drängender wiederholt, leise nimmt die gestopfte Trompete des Jazzmusikers Peter Schärli sie auf, die Schlagzeugbesen rascheln, die Tuba schnauft wie ein riesiges Tier, und nun erhebt sich über dem Zweitonthema eine fast tangohafte Melodie der Glasharfe, während Freys Tuba und Hofmanns Euphonium lange Orgeltöne aushalten. Nun ohne Dämpfer schwingt Schärlis Trompete sich zu einem lyrischen Solo empor, dann wird das Stück wieder leiser und verklingt, wie es begonnen hat, mit den Tönen der Glasharfe.

THOMAS BODMER • TAGES-ANZEIGER, 29.3.00

Eine Herausforderung ans Publikum, wie sie nur intelligente Musik wagt.

Fabian Schäfer • NMZ, 10.4.00

Der Glasharfenmagier Ben Jeger aus Solothurn, einer der vielseitigsten Keyboarder der Schweiz, hat in seinem aktuellen Ensemble nur zirkuserprobte Profis engagiert. Die beiden Allrounder Shirley Anne Hofmann (Multiinstrumentalistin) & Fredi Flükiger (dr,perc) sowie die beiden gestandenen Jazzer Peter Schärli (tp,fl-h) & Michael Frey (tuba). Absolut ergreifend und virtuos eingespielte Kompositionen von Jeger, Hofmann, Schärli, Nino Rota & Bratko Bibic - die alle eine grosse Portion Humor & Sentimentalität ausstrahlen, ohne jemals dem Kitsch oder Kunsthandwerk zu verfallen.

RecRec